Aus Usbekistan habe ich einen Reisebericht verschickt:
Usbekistan – Märchen aus 1001 Nacht
Tashkent – Nurato Naturreservat – Samarkand
Wir kommen früh am Morgen am Flughafen in Tashkent an. Hier erwarten uns nicht gleich tausend Taxifahrer, die alle ihre Leistung, uns in die Innenstadt von Tashkent zu bringen, als die günstigste und ultimativ beste anpreisen. Im Gegensatz zu Vietnam geht es hier sehr gesittet zu. Und so sitzen wir alsbald in einem Taxi und… tauschen Geld. Eigentlich ist das illegal. Aber wer zu Bank geht und einen schlechten Kurs annimmt, ist selber schuld. Wir tauschen die ersten 100 Dollar und bekommen dafür 210.000 usbekische Som. Einen Tag später werden wir erfahren, dass wir nicht das beste Geschäft gemacht haben.
Dafür ist das Hotel okay, aber auch nicht gerade supergünstig. Wir zahlen 55 Dollar für die Nacht. Um in Dollar zu bezahlen, müssen wir in einen Nebenraum gehen, der keine Fenster hat. Dort übergeben wir das Geld und alles ist okay. Die Polizei lauert überall, eigentlich dürfen wir nur in Som bezahlen. Dollar werden aber deutlich lieber genommen.
Die Stadt wirkt modern, fast schon steril. Kaum Menschen unterwegs. Wenn ich da an Vietnam denke mit den Millionen von Motorrollern… Hier gibt es eigentlich nur Autos, und die sind auch alle weiß. Das wäre modern, wird mir erklärt. Wir schauen uns die Sehenswürdigkeiten an, für die man in Tashkent jetzt nicht unbedingt fünf Tage braucht, denn dWährend wir unterwegs sind, bereitet Feruzas Mutter zuhause Plov vor, ein usbekisches Nationalgericht, mit Reis, Zwiebeln, Hammelfleisch und gelben Karotten. Nachdem wir abends die Köstlichkeit verspeist haben, wird wieder Geld getauscht. In der Familie ist der Wechselkurs deutlich besser. 50.000 Som mehr als im Taxi bekommen wir pro 100 Dollar. Wir tauschen was das Zeugs hält und haben hinterher 700 1000er Som-Scheine im Gepäck. Ich komme mir wie eine Millionärin vor. Der Bruder von Feruza läuft beim Tauschen zur Höchstform auf. Eigentlich durch eine Blinddarmoperation vor zwei Tagen etwas geschwächt, zählt er die Scheine auf so rasante Weise, dass ich kaum mitkomme. Er könnte locker in einer Bank arbeiten.
Früh am morgen verabschieden wir uns von Feruza und versprechen, am Ende der Reise wiederzukommen. Wir fahren mit Narzullo in die Region Nurato, wo wir die nächsten drei Tage bei seiner Familie in den Bergen wohnen werden. Homestay auf usbekisch, das allerdings noch in den Anfängen steckt. Ich hatte diese Form der Übernachtung, direkt bei den Einheimischen zuhause zu sein und damit das Leben der Bevölkerung sehr direkt kennen zu lernen, ja schon in Vietnam erlebt. Aber Vietnam ist touristisch gesehen deutlich weiter als Usbekistan. Was als solches erst mal kein Problem ist, aber durch die Sprachbarriere sehr schnell eines werden kann. Außer Narzullo, der nur ein rudimentäres Englisch spricht, unterhält sich die Familie auf tadschikisch oder eben usbekisch.Mit Händen und Füßen funktioniert es auch einigermaßen. Aber leider klappt diese Art der Kommunikation fast nur mit den Frauen des Hauses und den Kindern. Da wir als eine Zwei-Frauen-Gruppe hier sind, werden wir vom Oberhaupt der Familie fast gänzlich geschnitten. Nach einem Tag schaffen wir es wenigstens, ihn anzulächeln und ein Lächeln geschenkt zu bekommen. ie Stadt wirkt sehr modern und ist irgendwie auch sehr durch die frühere Sowjetunion geprägt. Wir haben glücklicherweise nur zwei Tage einkalkuliert.
Am zweiten Tag fahren wir mit dem Taxi zu Feruza. Ich habe sie über couchsurfing.org kennengelernt. Sie ist 22 Jahre alt und lebt mit Mutter und Vater, Bruder und Schwester in einer kleinen Wohnung im 7. Stock in einem riesigen Wohnkomplex. Sie studiert Englisch und lernt privat etwas Deutsch und freut sich riesig, ihre Sprachkenntnisse mit uns trainieren zu können. Mit ihr gehen wir auf den großen Chorsu Bazar und besuchen das Hazrati Imom Ensemble, eine Moschee und Medrese. Es ist toll, mit Feruza unterwegs zu sein, bekommen wir doch durch sie ganz leicht Kontakt zu den Einheimischen.
Sohn Narzullo, der die ganze Sache organisiert hat, weiß plötzlich nichts mehr von dem Programm, das wir gebucht haben. Eigentlich sollte er uns das Leben in den Dörfern und auf dem Land zeigen. Aber nachdem er uns zum Hof der Familie gebracht hat, will er sich gleich wieder vom Acker machen und drei Tage später wiederkommen. Erst als ich ihm das ausgedruckte Programm unter die Nase halte und ihm deutlich mache, dass ich eine Dokumentation über Usbekistan mache und für diese drei Tage nicht nur zum Spaß 350 Dollar bezahlt habe (für zwei Personen), wird er etwas offener. Nun erzählt er von seinen großen Plänen, weitere Gästehäuser zu eröffnen und den Gästen geführte Wanderungen in den Bergen um uns herum anzubieten. Ich hoffe, er belässt es in Zukunft nicht nur bei den großen Versprechungen. Vielleicht wäre es aber auch anders gelaufen, wenn ein Mann bei uns dabei gewesen wäre. Das kann ich im Moment noch nicht abschätzen, ob es daran gelegen hat oder er einfach immer nur ein Schlitzohr ist, der große Töne spuckt und lieber nur das Geld kassiert.
In der Familie leben neben den Eltern von Narzullo noch seine zwei älteren Brüder. Der älteste hatte vor Jahren einen Schlaganfall und ist halbseitig gelähmt. Der zweitälteste Bruder wird mal die Farm übernehmen und ist jeden Tag mit seinen 80 Schafen in den Bergen unterwegs, wo er schaut, für die Tiere etwas Gras zu finden. Am Rande der Qizilqum-Wüste ist das neugeschaffene Bioreservat Nurota zwar Hiemat des Riesenwildschafs, es gibt Wölfe hier und schöne Bergwälder, aber es ist einfach sehr trocken. Durch einen kleinen Fluss, der durch das Tal fließt, versorgen sich die Familien mit Wasser. Sie leben vom Eigenanbau von Kartoffeln, Tomaten, Karotten, Gurken, u.v.m. und halten Schafe, Truthähne, Hühner und Rinder. Die Esel dienen als Last- oder Reittiere. Die Hausarbeit wird von den Frauen in Handarbeit erledigt. So erleben wir, wie jeden Tag im Tandor-Ofen das Brot gebacken wird. Walnüsse, die verkauft werden, bringen noch etwas Geld. Oder eben die Gäste, die im selbstgebauten Gästehaus mit warmer Solardusche und Toilette mit fließendem Wasser residieren dürfen. Insofern geht es uns natürlich gut, denn Narzullos Familie ist die einzige Familie der ca. 50 Familien, die hier leben, die über diese Annehmlichkeiten verfügen.
Neben der Mutter, die 56 Jahre alt ist, wird die meiste Arbeit von Oygul, der Frau des zweitältesten Bruders, erledigt. Sie hat drei Kinder, Roslan, Emira und Elvira, acht, sechs und drei Jahre alt. Oygul versorgt auch uns und hat trotz der vielen Arbeit immer ein Lächeln auf dem Gesicht. Es ist schon enorm, was hier von den Frauen geleistet wird.
Der achtjährige Sohn von Oygul, Roslan, ist unser Führer in die Berge, um das Riesenwildschaf zu sehen. Nach zwei Kilometern den Berg hoch bedeutet er uns, dass auf dem Berg gegenüber die Schafe wären. Irgendwie sieht er aber etwas, das sich mir nicht erschließt. Ich zoome mit der Filmkamera, nichts. Ich gebe Roslan die Filmkamera in die Hand, er soll mir zeigen, wo die Schafe wären. Da seufzt er tief und tut so, als wären sie jetzt plötzlich wieder verschwunden. Ob sie jemals da waren, bleibt sein Geheimnis. Oder vielleicht ist er nur so ein Schlitzohr wie sein Onkel. Trotzdem sind die Kinder mit Abstand am offensten. Während ich das schreibe, ist die kleine Elmira ständig an unserer Seite und versucht uns, die usbekische Sprache näher zu bringen. Am Abend weicht Roslan nicht von unserer Seite. Wir haben ihm das Kartenspiel Mau-Mau beigebracht und jetzt zählt er eifrig, wie oft er uns schlagen kann. Er ist sehr clever und lernt schnell und die Mischung aus usbekisch / englisch und Händen und Füßen gibt dem Spiel den richtigen Kick. Durch das Spiel mit den Kindern und wahrscheinlich einfach meinem unwiderstehlichem Charme ;-)) gelingt es uns dann doch, zum Oberhaupt der Familie einen zaghaften Kontakt aufzubauen. Immerhin darf ich ihn fotografieren und – man höre und staune – er schafft es dabei zu lächeln. Ich bin hin und weg. Er ist 60 Jahre alt, arbeitet als Ranger im Naturreservat und geht in einem Monat in Rente. Da auf der Farm fast alle Arbeit von seiner Frau und Schwiegertochter erledigt wird, und die Schafzucht vom zweitältesten Sohn gemacht wird, ist ihm teilweise richtig langweilig. Er streift dann über die Farm und tut mir fast leid dabei. Irgendwie ist er auch Opfer seiner Kultur, könnte ich mir vorstellen.
So ein Aufenthalt in einer usbekischen Familie lohnt sich trotz aller Widrigkeiten auf alle Fälle. Wir sind hautnah dabei, wie das Brot gebacken wird, auf dem Feuer gekocht wird und sehen sogar, wie sie ein Schaf ausnehmen, um wieder frisches Fleisch zu haben. Und die Berge um uns herum, die freundliche Bevölkerung, gemischt aus Tadschiken, Kasachen und Usbeken, ist einfach wundervoll. Aber nach drei Nächten ist es dann genug und Narzullo bringt uns nach Samarkand. Das ist deutlich kleiner als Tashkent und auf den ersten Blick viel schöner. Schaun wir mal, was uns hier alles erwartet. Vorhin habe ich fünf alte Männer auf einer Bank fotografiert, nachdem ich sie um Erlaubnis gebeten habe. Sie fragten mich sofort, woher ich käme. Deutschland, oh, oh, Beckenbauer ist ihnen da sofort eingefallen ;-)).
Xayr! Auf Wiedersehen ;-))