Bericht 24: Auckland – Rotorua, Neuseeland – 13. November 2001
Hallo,
nach viel Sonnenschein und Hitze ein verregneter Tag, der gerade rechtzeitig kommt, um mal wieder einen Bericht zu schreiben. Wir sind in Rotorua, im Landesinneren der Nordinsel Neuseelands und um uns herum dampft es wie verrückt. Rotorua wird auch die Sulphur City genannt, weil es die aktivste geothermische Gegend im ganzen Land ist. An jeder Ecke brodelt und zischt heißes Wasser aus der Erde und es riecht, als ob die ganze Bevölkerung hier jeden Tag Bohnen essen würde.
Auf dem Campingplatz gibt es alleine drei heiße Pools, einen Dampfofen zum Kochen und an unserem Zelt fliesst ein kleiner Bach vorbei, der so warm ist, dass wir uns fast die Hände darin verbrennen. Legen wir uns mit einem Ohr auf den Boden, hören wir es unterirdisch gurgeln und brodeln. Der Boden ist so warm, dass wir sozusagen eine Fussbodenheizung im Zelt haben. Es fühlt sich an, als ob die ganze Nacht die Heizdecke angeschaltet wäre. Ein toller Nebeneffekt dabei ist, dass aus Sahne, die wir im Zelt stehen lassen, über Nacht einfach Butter wird.
Auf dem Weg hierher sind wir durch ganz viel Farmland gekommen, das grün, grün und nochmal grün ist. Soviel Grün haben wir im ganzen Leben noch nicht gesehen. Dazu ganz viele Kühe, Schafe, Esel und anderes Getier. Damit das Grün schön zur Geltung kommt, ist das Ganze noch sehr hügelig. An unserem zweiten Radltag nach Auckland waren wir nach etlichen Kilometern auf und ab so kaputt, dass wir nur noch einen Platz zum Zelten finden wollten.
Leider gab es keinen Zeltplatz, aber wir kamen an einem alten Schild vorbei, auf dem Pedallers‘ Inn stand. Normalerweise ist Neuseeland gespickt mit Jugendherbergen, in denen man günstig übernachten und bei denen man manchmal auch einfach ein Zelt aufschlagen kann. Bei unserem Pedallers‘ Inn stand allerdings „No Vacancy“, was leider „kein Bett frei“ oder einfach „fahr weiter Rad“ bedeutet.
Wir waren aber so kaputt, dass uns das nicht abgeschreckt hat. Tapfer sind wir die Einfahrt hinaufmarschiert und haben versucht, so erledigt wie möglich auszusehen. Eine ältere Dame kam uns entgegen und erzählte uns, dass sie gar keine Jugendherberge mehr habe. Vor zwei Jahren sei ihr Ehemann gestorben und dann habe sie die ganze Sache aufgegeben. Das Schild sei also nur noch Zierde. Bei näherem Betrachten von uns und unseren Rädern meinte sie aber, ihr Garten sei eigentlich groß genug und ziemlich zeltleer, also wenn wir wollten…
Na klar wollten wir. Während wir das Hilleberg-Zelt aufstellten, machte die Dame Tee. Nach dem Tee und der ersten Hälfte der Lebensgeschichte von Bobby, so hieß unsere nette Gastgeberin, gingen wir nahtlos zur Happy Hour über. Bobby widmet sich normalerweise um 17 Uhr der Happy Hour, was ein Glas Weißwein bedeutet. Bei netter Gesellschaft, und das sind wir natürlich :-), ist Happy Hour aber nochmal so schön.
Also gab sie uns ihre Autoschlüssel (wir weigerten uns, noch einen weiteren Berg mit dem Rad hinaufzufahren), um mehr Weißwein einzukaufen. Dann haben wir die zweite Hälfte der Lebensgeschichte erfahren, von unserer Weltreise erzählt und Bobbys singendem Hund Bess gelauscht. Am nächsten Morgen machten wir das Frühstück für Bobby und pflückten uns von ihren Grapefruit-, Orangen- und Limettenbäumen ein paar Früchte für die Weiterfahrt. Beim Abschied gab es fast Tränen, so schön war diese kurze Begegnung.
Obwohl Neuseeland so viel kleiner ist als Kanada oder Amerika beispielsweise, wo wir die letzten vier Monate verbracht haben, ist es unheimlich abwechslungsreich. Innerhalb einer Tagesetappe von ca. 80 km kommen wir durch tiefeingeschnittene Schluchten, kleine, gemütliche Städtchen und zack, sind wir wieder am Meer. Die Wälder sind ganz anders als bei uns in Deutschland: Neben den allgemeinen Laub- und Nadelbäumen stehen riesengroße Farne und Palmen. Weil es so paradiesisch schön ist, machen wir nach einigen Tagen Radfahren immer wieder Pause, um uns alles genau anzuschauen (eine wunderbare Entschuldigung, bei diesen Hügeln nicht nur Rad zu fahren).
Und jetzt sind wir also einige Tage in Vulkanland. Sogar die Schwäne hier sind schwarz, wahrscheinlich weil sie bei diversen Vulkanausbrüchen zu nah am Geschehen waren. Hier gibt es eine vergrabene Stadt, die 1886 bei einem großen Vulkanausbruch verschüttet wurde.
Dampfige Grüsse,
Beate und Carol