Bericht 23: San Francisco – Los Angeles, USA – Auckland, Neuseeland – 3. November 2001
Kia ora (maorisch, heißt Hallo oder Viel Glück)!
Hier sind wir wieder. Den Flug von Los Angeles nach Neuseeland haben wir überstanden, sind heil und unbeschadet auf der anderen Seite des Äquators angekommen, haben die Datumsgrenze überflogen, so den 31. Oktober komplett ausgelassen und wollen nun mal sehen, wie hier die Internetbedingungen so sind. Gerade haben wir gelesen, dass es in Neuseeland 500 Telefonzellen mit Modemanschlussmöglichkeit gibt. Wir müssen sie nur noch finden.
Bei unserem letzten Bericht aus San Francisco waren wir ja noch radfahrenderweise unterwegs. Den Weg von SF nach Los Angeles haben wir in einem Auto zurückgelegt. Zeitmäßig hätte es nicht mehr hingehauen, den Flug in LA mit dem Rad zu erreichen. Also haben wir schweren Herzens ein Auto gemietet und sind die ganzen Berge an der Küste mit Tränen in den Augen hochgesaust. Wir wären ja so gerne weiter Rad gefahren, besonders bei Big Sur mit den engen, steilen Straßen, wo es ständig rauf und runter geht :-).
In Santa Barbara machten wir Station für einige Tage. Beate hatte geschäftlich zu tun und durfte am Laptop einen Bericht für ein Schweizer Tennisturnier schreiben. Die große, wunderbar ausgestattete Public Library in Santa Barbara mit schönen Arbeitsplätzen war wie geschaffen dafür. Carol konnte ihre müden Radlerbeine schonen und schon mal die Reiseliteratur für Neuseeland studieren.
Santa Barbara ist eine wunderschöne Stadt mit unheimlich viel spanisch-mexikanischem Einfluss. Palmengesäumte Straßen, kleine Cafés und tolle Gebäude gibt es da in Hülle und Fülle. Was wir aber sonst noch gesehen haben, hat uns gar nicht gefallen. Unglaublicher Reichtum (z.B. die Villen von Michael Douglas oder Oprah Winfrey in den Bergen von Santa Barbara) steht neben enormer Armut. Was es an Obdachlosen und kranken Menschen auf den Straßen in Santa Barbara gibt, kannst du dir nicht vorstellen. Die sind froh, wenn sie etwas zu essen oder trinken in den Abfalleimern finden. Kleine, alte Chinesinnen sammeln Plastikflaschen und anderen recycelbaren Müll und bringen das für z.B. fünf Cent die Plastikflasche zur Müllverwertung. Die Müllsäcke, die sie durch die Gegend tragen, sind manchmal größer als die kleinen Frauen selber.
Die Obdachlosen halten sich gerne in der Stadtbibliothek auf. Dort finden sie einen Stuhl zum Sitzen und auch noch Toiletten und Wasser. Manche reden die ganze Zeit mit sich selber und wahrscheinlich ist der ein oder andere Veteran aus dem Korea- oder Vietnamkrieg dabei, der keinen Platz mehr in der Gesellschaft findet. Wenn die USA ihr Geld nicht für ihre Armee und in Kriegen für die angebliche Freiheit ausgeben, sondern in ihr Sozialsystem stecken würden, könnten alle Obdachlose bestimmt eine lebenslange Rente plus Supervilla bekommen. Leider ist das nur ein Wunschgedanke.
In Los Angeles hatten wir mal wieder unverschämtes Glück. Schon auf dem Jakobsweg in Spanien hatten wir Herbert getroffen, der doch gerade mal 8 km vom Flughafen Los Angeles entfernt wohnt. Hat nicht Herbert in seinem Appartment ein Zimmer mit Bad für uns beide und auch noch eine Tiefgarage mit Unterbringungsmöglichkeit für die Räder?! Wir sagen dir, geh radfahrenderweise in Urlaub, da triffst du super Menschen.
Wir wollten Herbert nicht enttäuschen und sind gleich vier Tage geblieben. Wir besuchten Venice Beach mit den Rädern und konnten uns davon überzeugen, dass man in der Millionenstadt Los Angeles, die von mehreren Autobahnen in der Form von Lebensadern durchzogen wird, sogar gefahrlos Rad fahren kann. Dann gönnten wir uns etwas Besonderes und Carol als Finanzminister der Tour (als Schottin finden wir das besonders passend für sie) erlaubte einen Besuch bei Universal Studios. Der Eintritt mit 43 Dollar pro Person ist schon ein kleines Vermögen, aber was die Amerikaner dort an Spektakel auf die Beine stellen, ist wirklich unglaublich.
Auf dem Weg zum Flughafen LA hatten wir auch noch ein tolles Erlebnis. Da wir für diesen Flug zum ersten Mal die Räder in Kartons verpacken mussten (es war Vorschrift von Air New Zealand), brauchten wir ein Taxi. Der Taxifahrer war ein Iraner, der schon seit 25 Jahren in LA lebt. Er war von unserer Weltreise so begeistert, dass er uns sofort einlud, bei unserem nächsten Besuch in LA bei seiner Familie zu Gast zu sein. Und da wir noch nicht wissen, wann wir wieder nach LA kommen, hat er uns sofort als seine Gäste bezeichnet und uns kurzerhand die Gebühr für das Taxi erlassen. Wir müssen gestehen, dass wir bisher von Iranern nicht so begeistert waren und aufgrund der Kopftuchgebote und der politischen Situation nie auf den Gedanken kämen, in den Iran zu reisen, aber dieser Mensch ist wirklich nett. Manchmal ohne Vorurteile durch die Gegend zu hüpfen, wäre wirklich besser.
In Neuseeland gibt es wieder viel Grün zu sehen. Wunderbar anzuschauen, besonders nach viel Wüste in Kalifornien (als wir LA verließen, regnete es zum ersten Mal seit März). Warum es hier so grün ist, wissen wir auch schon. So ca. 10 Mal am Tag regnet es kurz und knackig. Die Temperatur ist aber trotzdem schön warm, der Himmel bleibt auch während des Regens teilweise blau und die Sonne kommt sofort wieder durch. Und der Regenbogen verspricht, dass es gleich wieder schön wird.
Für uns ist wieder Frühling, überall blühen Blumen und manche Vögel hier klingen wie ein Wecker, wenn sie pfeifen. Es verspricht also, interessant zu werden. Den November wollen wir auf der Nordinsel verbringen, da es hier um diese Zeit schön warm sein soll. Für Weihnachten soll es auf die Südinsel gehen, denn dann ist dort Sommer angesagt.
Happy November,
Beate und Carol