Bericht 18: Kettle Valley Railway (Castlegar-Penticton), British Columbia, Kanada – 12. August 2001
Hallo,
ein Teil des Kettle Valley Railway liegt hinter uns und wir haben so viel erlebt und gesehen, dass wir gar nicht genau wissen, wie wir das kurz in einem Bericht wiedergeben können. Diese ehemalige, so geschichtsträchtige Bahnstrecke in British Columbia abzuradeln, andere Radfahrer zu treffen, Freundschaften zu knüpfen und richtig in der Wildnis zu sein, ist absolut einmalig und abenteuerlich.
Die Strecke ist voller Höhepunkte, bedeutet aber teilweise auch harte Arbeit. Die Oberfläche ist streckenweise sehr schlecht, und wir hatten mit unseren Trekkingrädern manchmal ganz schön zu tun, überhaupt durchzukommen. Die meisten Radfahrer hier haben Mountainbikes sowie wenig Gepäck und sind damit besser vorbereitet, Geröll, Sand und Waldwege zu überstehen.
Von den 600 km Bahnstrecke haben wir jetzt 300 km absolviert und jede Menge Abenteuer erlebt: Alte Eisenbahnbrücken, teilweise nur die Gleise entfernt; Tunnel, einer mehr als 900 m lang und stockdunkel; Bergflüsse ohne Brücken, Felsbrocken auf der Strecke, durch Lawinen auf die Strecke geworfen; Canyons, davon der Myra Canyon als Höhepunkt mit 18 Eisenbahnbrücken und zwei Tunnel. Gewürzt wird alles noch durch die Höhe. Die Strecke passiert Abschnitte mit bis zu 1300 Höhenmetern. Rechts geht es steil hinunter, links gibt es nur eine schroffe Bergwand. Und wir radeln dabei auf einem 2 m breiten Streifen, der immerhin mal Dampflokomotiven getragen hat.
Die Devise ist, genügend Lebensmittel dabei zu haben, um mal das Zelt mitten in der Wildnis aufzustellen. Für die erste Nacht war das nötig, weil wir mitten im Niemandsland ohne Campingplätze waren. Am nächsten Morgen erfuhren wir von zwei vorbeikommenden Radlern, dass ganz in unserer Nähe ein Schwarzbär unterwegs war. Anscheinend hatte er an uns kein Interesse, wir haben ihn jedenfalls nicht zu Gesicht bekommen.
Das Schöne an der Bahnstrecke ist die relativ geringe Steigung. Wir haben nie mehr als 2 % Steigung zu bewältigen und das, obwohl es hier sehr bergig ist. Steigungen von bis zu 1000 Höhenmetern lassen sich also verteilt auf viele Kilometer sehr gut bewältigen. Es kann also locker passieren, dass wir einen ganzen Tag lang nur steigen und am nächsten Tag ebenso sanft wieder nach unten rollen. Und dabei merken wir das kaum. Mit ein Grund, neben der wunderbaren Landschaft, diese alte Bahnstrecke zu wählen. Der Highway ist viel hügeliger, es geht ständig auf und ab.
Das Gemeinschaftsgefühl mit anderen Radlern ist super. Jeder hat mit den gleichen Bedingungen zu „kämpfen“ und das schweisst zusammen. Wir hatten besonderes Glück und trafen sechs Kanadier, mit denen wir schnell Freundschaft schlossen. Ron und Bob, zwei beste Freunde, radelten hier eine Woche und wir waren einige Tage gemeinsam unterwegs. Glenda, Tom, Diane und Gary fuhren ihre Mountainbikes ohne Gepäck, weil sie ihren Pick-up dabei hatten und den als Begleitfahrzeug nutzten. Ausgerechnet an Beates Geburtstag (9. August) wurde unser Gepäck von den vieren zum nächsten Campingplatz befördert und wir radelten einen ganzen Tag „light“. Welch ein Geschenk!
Zu acht feierten wir eine große Geburtstagsfete, auf kanadische Art. Was uns geboten wurde an Geburtstagsessen, Muffins mit Geburtstagskerzen, gerösteten Marshmallows am Lagerfeuer und sogar „Happy Birthday-Luftballons“, die unser Zelt füllten, ist unglaublich. Und das mitten in der Wildnis!
Wie schön, dass noch weitere 300 Bahnkilometer auf uns warten. Morgen starten wir von Penticton nach Brookmere und dann weiter nach Hope. Wir sind jetzt schon ganz gespannt, welche Überraschungen und Begegnungen der Kettle Valley Railway noch für uns bereit hält.
Viele Grüße,
Beate und Carol
Falls Du Interesse hast, auf dem Kettle Valley Railway zu radeln oder sogar mit der Bahn zu fahren, hier gibt es jede Menge Infos: https://www.kettlevalleyrail.org/ und hier https://www.bcrailtrails.com/