Bericht 22: North Bend – San Francisco, Pazifikküste USA – 17. Oktober 2001
Hallo,
es ist ja langsam an der Zeit, dass wir mal wieder von uns hören lassen. Durch die fehlenden Internetcafés haben wir den Laptop in der Ortliebtasche gelassen und uns ganz auf das Radeln konzentriert. Und so sind wir in San Francisco gelandet.
Und neben super Wetter, einer tollen Überquerung der Golden Gate Bridge im Sonnenschein, ganz ohne Nebel (kommt so ca. 10 Mal im Jahr vor) haben wir überhaupt großes Glück hier: Die Übernachtungen sind natürlich nicht so billig und einen Campingplatz mitten in der Stadt finden wir auch nicht. Die Jugendherberge kostet immerhin 22,50 $ pro Person. Doch als Radreisende kommen wir einfach in Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen. Und andere Radreisende wissen genau, was man so braucht als Globetrotter, ein Bett, ein Bad und eine Waschmaschine. Vor einigen Wochen trafen wir Lori und Ilya, zwei radfahrende Amerikanerinnen, auf dem Kettle Valley Railway in Kanada. Wie es der Zufall will, wohnen die beiden in Oakland, in der San Francisco Bay, also schräg gegenüber von San Francisco. Und hier haben wir ein Gästezimmer, ganz viele Steckdosen und sogar Internetanschluss. Bad und Waschmaschine natürlich inbegriffen. Praktisch, nicht?
Am 27. September hatten wir die Oregonküste abgeschlossen. In Kalifornien ist die Küste rauher und die Berge sind steiler. Die Hiker-Biker-Plätze in den State Parks kosten nur noch einen Dollar pro Person, Bier und Wein gibt es in jedem kleinen Ort und wir leben wie die Fürsten. Der Indian Summer zeigt sich von seiner besten Seite und wir haben tagsüber Temperaturen bis über 30 Grad.
Neben der wunderbaren Küste gibt es hier die Redwoods. Diese Bäume sind die höchsten Lebewesen auf der Erde und können bis zu 2000 Jahre alt werden. Und in der Höhe könnten sie glatt einige Wolkenkratzer in San Francisco ersetzen, bis zu 30 Stockwerke hoch schaffen es diese widerstandsfähigen Bäume.
Ein ganz besonderes Erlebnis war es für uns, auf der „Avenue of the Giants“ durch die Redwoods zu fahren. Gerade auf dem Rad spürt man die unglaubliche Energie dieser Bäume, die Ruhe und Gelassenheit, wie sie majestätisch in Gruppen beisammen stehen und selbst Feuer ihnen nicht schaden kann.
Obwohl wir ja jeden Tag etliche Kilometer zurücklegen und die einzelnen Staaten hier so groß sind wie Deutschland alleine, treffen sich die Radfahrer doch immer wieder. Irgendwie ist die Welt ja doch klein. Durch die besonderen Campingplätze begünstigt ist es also so, dass wir abends immer ganz gespannt sind, wen wir wieder mal sehen.
Zum Beispiel Lotti und Werner, zwei Schweizer, die bereits Großeltern sind und trotzdem mit dem Rad die Pazifikküste entlang fahren. (Alter schützt vor Torheit nicht :-)) – dabei sind die beiden junge Großeltern!)
Oder Margrit, alleinreisende „Über-60-jährige“ (das ist als Kompliment gemeint, denn Margrit sieht aus wie 50 und fährt wie 20, am Berg haben wir keine Chance gegen sie), mit der wir fünf Tage lang gereist sind. Sie ist unglaublich erfinderisch und flexibel und hat aus Gewichtsgründen (wegen Transport auf dem Rad, nicht als Diät gemeint) noch nicht mal einen Kocher mit, weil sie jeden Morgen und Abend ihr Essen auf dem Feuer zubereitet. Von ihr haben wir die Kunst des Kochens auf dem Feuer gelernt und sparen so jede Menge Brennspiritus, den wir hier normalerweise für viel Geld als „denatured alcohol“ kaufen müssen.
Oder George, ein Texaner, der ein Jahr lang in ganz USA unterwegs ist, mit amerikanischer und texanischer Flagge am Rad. George ist ständig am Kauen von Kautabak und wenn wir ihn überholen müssen wir Acht geben, dass wir nicht aus Versehen in seine Schusslinie kommen, weil er gerade Kautabak ausspuckt.
Wir genießen jetzt noch ein bisschen San Francisco, bevor wir sehen, dass wir irgendwie nach Los Angeles kommen. Am 30. Oktober geht der Flieger nach Auckland in Neuseeland.
Viele Grüße, bis bald,
Beate und Carol