Bericht 21: Edmonds, Washington-North Bend, Oregon, USA –
23. September 2001
Hallo,
wir sind gerade in einer sehr schönen öffentlichen Bibliothek in North Bend und schreiben einen Bericht, obwohl wir keine Ahnung haben, ob wir ihn überhaupt abschicken können. Die Pazifikküste in Oregon bietet landschaftlich alles, was das Herz begehrt, aber internetmäßig gibt es hier noch einiges zu tun. Keine Internetcafés, nur ab und an eine Bibliothek, in der wir eine halbe bis ganze Stunde kostenlos im Internet surfen dürfen. Doch wir können den Laptop nicht ans Netz bringen und damit keinen Bericht verschicken.
Aber hier haben die Menschen ganz andere Sorgen. Der schreckliche Anschlag vom 11. September in New York hat seine Spuren hinterlassen. Überall wehen amerikanische Flaggen und die ganze Nation ist eng zusammengerückt. Sprüche wie „God bless America“, „America, one nation indivisible“ oder „We stand together“ sind zu lesen. Auch wir tragen zwei kleine amerikanische Flaggen an unseren Rädern, aus Solidarität mit den Menschen hier.
Glücklicherweise ist durch diesen Anschlag keine Fremdenfeindlichkeit aufgekommen, zumindest Nicht-Muslimen gegenüber. Wir werden auch weiterhin freundlich empfangen und man ist neugierig, was zwei so bepackte Radfahrer überhaupt machen. Und wenn wir von unserer einjährigen Weltreise erzählen, werden wir bestärkt darin, dass wir das Richtige tun: Das Leben genießen und das beste daraus machen, so lange es uns gut geht. Und übrigens, die Anteilnahme in Deutschland und Großbritannien wird hier sehr positiv wahrgenommen.
Unsere Weltreise können wir also ohne Probleme fortsetzen. In Edmonds, unserer Station bei der netten Familie Pirie, haben wir vor der Abfahrt an die Pazifikküste noch eine Schule besucht und dort unser Weltreiseprojekt vorgestellt. Uns wurden ganz viele interessante Fragen gestellt, u.a. wer von uns beiden den Geschwindigkeitsrekord beim Radfahren hält. Die Antwort ist Carol mit 59 km/h, was aber nur durch ihr höheres Eigengewicht zustande kommt :-).
Von Edmonds aus haben wir Seattle besucht und dann unsere Tour an der Pazifikküste begonnen. Seit Anfang September erleben wir jeden Tag eine wunderschöne, abwechslungsreiche Landschaft mit kilometerlangen Sandstränden, toller Brandung, Steilküste, Dünenlandschaft und können vom Strand aus Wale, Seerobben, Seeotter und Kolonien von Seelöwen beobachten.
Seit wir im Staat Oregon sind, ist die Strecke auf dem Highway 101 sogar für Radfahrer beschildert, Umwege werden ausgewiesen und auf den Campingplätzen gibt es günstige Tarife für Radfahrer. Wir gehen einfach auf die Hiker- und Bikerplätze in den State Parks und sparen jede Menge Geld. Sogar mit kostenlosem Kartenmaterial werden wir in den Touristeninformationen unterstützt.
Fährt man von Nord nach Süd, kommt noch ein schöner Rückenwind dazu, der uns netterweise behilflich ist, über einen der vielen Hügel zu kommen. Aber ohne Hügel gäbe es nicht die wunderschönen Aussichten.
Und dann treffen wir noch jede Menge Radfahrer. Zum Beispiel einen waschechten Bayern, der schon seit Tagen eine riesige Pfeffermühle durch die Gegend fährt, weil es „in Amerika viel billiger ist, eine gescheite Pfeffermühle zu kaufen als in Deutschland“.
Wir hoffen, dass wir demnächst eine Möglichkeit finden, den Bericht auf die Reise zu schicken. Aber noch mehr hoffen wir, dass sich die amerikanische Regierung nicht von ihrem Zorn auf die Terroristen leiten lässt und besonnene Entscheidungen treffen wird. Ab heute, Sonntag 23. September, werden die Fahnen offiziell wieder normal wehen, die Halbmastzeit für öffentliche Gebäude ist vorbei.
Für uns geht es weiter durch Oregon, immer an der Küste entlang, bis nach Kalifornien. In San Francisco wird es hoffentlich ein Internetcafé geben :-).
Viele Grüße aus den USA,
Beate und Carol